Tuesday, February 15, 2011

Demokratie in Ägypten

Das Volk von Ägypten hat dem Despoten die Tür gewiesen. Nach vielen Jahren des Wartens auf Besserung. Zu vielen Jahren. Wenn auch die Ursachen für die Eruption der gesammelten Frustrationen andere sind, so darf man doch annehmen, dass die neuen Medien und sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle bei der Kommunikation, der lawinenartigen Verbreitung von Informationen zu Versammlungsorten und Marschrouten, zu Parolen, zu Plakattexten, zum Verhalten der Demonstranten und der Soldaten bei den Demonstrationen, zur Vermeidung von gewalttätigen Ausschreitungen gespielt haben.

Dies wird sich nach der Machtübernahme durch die vorerst eingesetzte Militärregierung nicht ändern. Das ist gut so und weist auch andere Despoten darauf hin, dass ihre Zeit vorbei ist. Es sind neue Realitäten entstanden, die Kommunikationsinhalte, -prozesse und -kanäle sind vielschichtiger geworden, Kommunikation erkennt Ereignisse und beeinflusst Handlungen. Die Lawine kann nicht aufgehalten werden, unterdrückte und ausgebeutete Völker überall auf der Welt werden sich zur Wehr setzen. Denn sie wissen eines ganz genau: sie sind das Volk. Regierungen kann man wechseln, das Volk bleibt. Aussitzen ist für Regierungen nicht mehr per se eine gute Taktik.

Es muss aber klar sein, dass man den Hebel nicht einfach so von Diktatur zur Demokratie umlegen kann. Dafür haben andere Nationen lange Zeiträume gebraucht. Sicher geht heute vieles schneller, es gibt für alles Modelle von Entwicklungen die funktionieren, wie auch vom Gegenteil. Hier muss nun das ägyptische Volk, zusammen mit geeigneten neuen Verantwortlichen den für dieses Schwellenland geeigneten Ansatz finden. Gut bewährt haben sich Formen des kooperativen Erarbeitens von Lösungen für die neue Verfassung, für Gesetze, für Umsetzungsverordnungen. Am runden Tisch, mit Einbezug und Mitarbeit aller wichtigen Gruppen erwirkte Kompromisse werden den Weg voran ebnen. An erster Stelle der Zivilgesellschaft steht dabei das Rechts- und Rechtssetzungssystem. Die Menschenrechte müssen garantiert sein, die Institutionen benötgen ihr gesetzliches Fundament. Gleich danach oder gar parallel dazu muss aber der wirtschaftliche Wandel erfolgen, denn auch in der am stärksten ausgebauten Demokratie wird es schnell unangenehm, wenn der wirtschaftliche Motor stottert. Hier steht auch der Westen umfassend in der Pflicht, und zwar sei nicht primär an Geldhilfe gedacht, sondern vor allem an freien Handel: trade, not aid.

Beispiele von geeigneten Verfassungen gibt es weltweit mehr als genug, das spezifisch für Ägypten geeignete Modell kann in sehr kurzer Frist ausgearbeitet werden. Wichtig ist dabei, das ganze Gefüge nicht zu starr und nicht zu detailliert zu gestalten. Zudem muss der Übergangspfad, anderswo auch Road Map genannt, viele Brückenelemente vom status quo zum neu geplanten Stand ausweisen. Bei Bedarf können die guten Dienste der internationalen Organisationen oder hilfsbereiter Patenstaaten in Anspruch genommen werden.

Das Demokratiemodell ist auch in westlichen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Wie wird sich Ägypten orientieren? In einem Land, in welchem eine parlamentarische Demokratie keine echte Tradition hat und welches zudem enorme wirtschaftliche Probleme zu bewältigen hat, wird man nicht ein total liberales Modell in einem einzigen, riesigen Schritt erreichen können. Die Entwicklungen müssen stufenweise vorangehen und auch jeweils genügend Zeit für das Reifen der Lösungen vorsehen. Ägypten befindet sich auf einem spannenden, viele Optionen eröffnenden aber auch an Gefahren reichen Weg. Dem ägyptischen Volk ist zu gratulieren und zu danken für seinen Mut und es ist ihm eine glückliche Hand zu wünschen bei der Transition, insbesondere bei der Wahl der neuen politischen Führung.

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